Sachmängelhaftung für KFZ – wo fängt sie an, wo hört sie auf?
Autos sind hoch komplizierte technische Erzeugnisse. Und sie werden eher noch komplizierter mit den letzten Modellgenerationen. Das impliziert, dass es gerade bei Gebrauchtwagen viele mögliche Fehlerquellen gibt, die bei Veräußerung an einen neuen Besitzer weitergereicht werden könnten. Wissentlich oder unwissentlich. Die wenigsten Autobesitzer sind technisch so versiert, auch jeden Mangel kompetent erkennen zu können. Versteckte Mängel sind manchmal für den Laien einfach nicht auffindbar. Das muss nichts mit Arglist zu tun haben. Die Frage ist nun, wer kommt für Sachmängel auf, wenn sie nach Verkauf des Gebrauchtwagens entdeckt werden? Wie wird das geregelt und wie setzt man seine Ansprüche durch? Um das Wesentliche vorwegzunehmen: es macht einen großen Unterschied, ob der KFZ-Verkäufer gewerblich handelt oder als Privatmensch.
Wer ist Unternehmer und wer nicht?
Die Sachmängelhaftung wird beschrieben im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 434. Hier ist bereits vermerkt, dass sie nur greift, wenn der Verkauf durch ein Unternehmen (in Abgrenzung von einer Privatperson als Vorbesitzer) erfolgt. Dieses Unternehmen ist in den meisten Fällen ein Autohändler oder eine Werkstatt. Aber jemand, der seinen Geschäftswagen verkauft, wird damit auch wieder zum Unternehmer. Ihnen kann zugemutet werden, die Expertise für eine professionelle Ermittlung des technischen Zustandes zu erbringen – und auch nötigenfalls nachzubessern.
Das bedeutet aber nicht, dass Privatleute völlig aus dem Schneider sind. Kann man einem privaten Verkäufer nachweisen, dass er arglistig einen ihm bekannten Sachmangel am Fahrzeug verschwiegen hat, kann er immer noch in die Sachmängelhaftung genommen werden. Dieser Nachweis ist aber schwierig zu erbringen. Eigentlich nur, wenn der Mangel auffällig ist. Oder aus Dokumenten oder Äußerungen des Verkäufers hervorgeht, dass ihm der Mangel zum Zeitpunkt des Verkaufs bekannt gewesen sein muss. In dem Falle würde ihm auch nicht helfen, wenn er im Vertrag die Sachmängelhaftung kategorisch ausschließt, wie das heute bei Privatverkäufen per Standardformulierungen üblich ist.
Der private Verkäufer kann sich jedoch selbst weit aus dem Fenster gelehnt haben; durch Versprechungen im Sinne von Garantiezusagen. Dann darf er sich auch nicht wundern, wenn man sich im Fall unerwartet eintretender Mängel darauf beruft.
Gesetz ist Gesetz
Für den gewerblichen Autoverkäufer führt kein Weg an der Sachmängelhaftung vorbei. Er kann sie nicht aussetzen, aber es ist möglich, die Gewährleistungsdauer von zwei Jahren vertraglich auf ein Jahr zu verkürzen. Etwas anrüchig ist das aber schon. Es sollte dem Kaufinteressenten zu denken geben, dass der Verkäufer die Garantie zu verkürzen sucht. Bei der Definition eines Sachmangels braucht es ebenfalls höchste Aufmerksamkeit. Kein Auto, erst recht kein älteres, ist frei von Verschleiß. Damit muss man leben.
Zu Verschleißteilen zählt man Reifen, Bremsen, Antriebsriemen und die Autobatterie. Da müsste der Verkäufer schon klar erklärt haben, dass diese nagelneu wären, um unter die Sachmängel zu fallen. Die Frage schließt sich nun an, ob ein angeführte Mangel noch im Bereich normalen Verschleißes für das Alter des KFZ liegt oder darüber hinausschießt. Erst dann würde man von einem Sachmangel sprechen, der zu beheben sein wird.
Außerdem muss ein Sachmangel innerhalb eines halben Jahres nach Kaufdatum gefunden werden. Nur dann wird davon ausgegangen, dass er schon zum Zeitpunkt der Veräußerung vorgelegen hat. Der Verkäufer kann aber, wenn er dazu in der Lage ist, den Beweis führen, dass der Sachmangel erst nach dem Kaufdatum aufgetreten ist. Ist das halbe Jahr erst einmal vorbei, obliegt es dem Käufer, zu beweisen, dass der Sachmangel tatsächlich älter ist und aus der Zeit vor dem Kauf stammt. Am Ende dieses Artikels findet sich ein Hinweis zu einer aktuellen Änderung der Fristen hierzu.
Die Suche nach der Wahrheit kann kostspielig sein
Klar, bei so vielen Auslegungsmöglichkeiten blüht das Gewerbe der KFZ-Schadensgutachter, die dazu einberufen werden, einen strittigen Standpunkt zu beweisen. Im Zusammenhang mit der Sachmängelhaftung haben Gutachter vor allem zu klären, was unter normalen Verschleiß (keine Haftung) und echten Defekt (Haftung) fällt. Die Kosten für sein Gutachten fallen dann gleich noch zusätzlich in den Topf zum Streitwert. Und was folgt, wenn nun durch Gutachter oder ohne ihn das Vorliegen eines Sachmangels bewiesen wird? Der Kauf wird damit nicht einfach ungültig. Es folgt ein rechtlich abgeklopftes Procedere, dessen Reihenfolge zu beachten wichtig ist für die Durchsetzung von Ansprüchen. Den sofortigen Rücktritt vom Vertrag kann man nur ins Auge fassen, wenn glasklar der betrügerische Charakter des Verkaufs auf der Hand liegt. Wenn man also erwiesenermaßen vorsätzlich getäuscht wurde.
In allen anderen Fällen muss der Verkäufer Gelegenheit bekommen, den Sachmangel durch Nachbesserung aus der Welt zu schaffen. Nicht unaufhörlich, sondern genau zwei Versuche lang, innerhalb einer angemessenen Frist. Ein Ersatzfahrzeug zu liefern wird eher schwierig sein, es sei denn, er hat ein genau gleichartiges Fahrzeug auf dem Hof stehen. Der Käufer kann sich damit einverstanden erklären, dieses zu nehmen – und der Fall ist gegessen. Übrigens kann man als Käufer auch eine angebotene Behebung des Sachmangels ablehnen, wenn diese ihm „unzumutbar“ erscheint. Was immer das heißen soll, es ist Auslegungssache.
Bei Versagen: Wandlungsrecht wahrnehmen
Bekommt er kein Ersatzfahrzeug angeboten oder ist der Mangel trotz Bemühungen immer noch vorhanden, folgt der nächste Schritt im Maßnahmenkatalogs eines enttäuschten Käufers. Jetzt kann er von seinem Wandlungsrecht Gebrauch machen. Dazu stellt er den Verkäufer per Einschreiben in Kennntnis, vom Kauf zurückzutreten. Bislang aufgelaufene Kosten sind dem zurückzuerstattenden Preis hinzuzufügen. Aber auch der Verkäufer kann Minderung geltend machen, vor allem bei längerer Nutzungsdauer des Wagens durch den Käufer, da das auch wieder einen Wertverlust ausmacht. Kommt keine Einigung zustande zu Reparaturmaßnahmen im Hause oder im Auftrag des Verkäufers, können sich beide Seiten immer noch auf eine Minderung des Kaufpreises einigen. Also bekommt der Käufer einen Teil des Kaufpreises wieder ausbezahlt und das Thema ist dann vom Tisch.
Vorsicht vor Eigenmächtigkeiten
Nicht vorgesehen ist, dass der Käufer einfach eigenmächtig Reparaturen anderswo in Auftrag gibt und diese dem Verkäufer in Rechnung stellt. Was allerdings zu Buche schlagen kann, sind Abschleppkosten und sonstwelche Nebenkosten zum Reparaturauftrag. Was Sie lieber gleich vergessen sollten, sind Überlegungen, Mietwagenkosten oder Verdienstausfall einzuberechnen. Das wird nicht klappen.
Ist die Sachmangelhaftung eigentlich verknüpft mit der Gebrauchtwagengarantie?
Nein, ist sie nicht. Diese gelten als unterschiedliche Paar Schuhe. Die Mängelhaftung ist etwas, was vom Gesetzgeber als Absicherung von Käufen vorgesehen ist und woran kein Weg vorbeiführt. Darüber hinaus kann der Händler Garantien auf seine Gebrauchtwagen ausschreiben. Es ist aber eine freiwillige Sache, eine solche Garantie als Verkaufsargument zu gewähren. Geschieht eine Reparatur im Rahmen seiner Gebrauchtwagengarantie, kann das an Bedingungen geknüpft sein, die Bestandteil dieser Garantie sind. Dies ist ein anderes Terrain als die Abwicklung einer Sachmängelhaftung. Keinesfalls darf die Garantieleistung herangeführt werden als ein Ersatz für Sachmängelhaftung, oder als Argumentation dienen, diese einzuschränken.
Neueste Details zur Sachmängelhaftung
Zu Neujahr 2022 kamen neue Vorschriften für ab diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge, die digitale Elemente beinhalten (Software zum Beispiel für den Bordcomputer), hinzu. Nämlich die Pflicht des Verkäufers, für die Auslieferung von Updates zu dieser Software an den Kunden zu sorgen. Ein Unterlassen kann schon als Sachmangel interpretiert werden. Neu ist auch, dass die Frist des halben Jahres, die weiter oben angesprochen wurde, mit 2022 auf ein ganzes Jahr verlängert wurde.
Forderungen mit oder ohne Anwalt geltend machen?
Die Sorge, selbst bei kleinen Geldforderungen gleich einen Anwalt (kostenpflichtig) heranziehen zu müssen, könnte manche Käufer abschrecken. Vielleicht wissen sie nicht, dass sich manche Forderungen ohne Anwalt über die KFZ-Schiedstelle für den Gebrauchtwagenhandel durchsetzen lassen. Hoffentlich. Sind die Geldforderungen in diesem Zusammenhang nicht allzu groß, kann das gerichtliche Mahnverfahren eingesetzt werden für die Beitreibung. Auch dieses kann ohne Mandatsvergabe an einen Anwalt ablaufen. Versuchen Sie in jedem Fall erst einmal eine gütliche Einigung, bevor Sie in die Konfrontation einsteigen. Dann wird wohl auch keine Komplizierung des Falles unter Zuschaltung von Gutachtern und Anwälten und damit eine Kostenexplosion eintreten. Wer diese zu tragen haben würde, wird ja erst mit einer Schuldfrage entschieden.
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